Betriebsführung

Sprachprobleme bei Auszubildenden im Handwerk: Herausforderungen & Lösungen für die sprachliche Integration

Sprachprobleme bei Lehrlingen gehören heutzutage zu den wichtigsten Herausforderungen eines Handwerksbetriebs. Oft lassen sich diese bei Migranten und Migrantinnen beobachten, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind und sich erst mit unserer äußerst komplizierten Sprache auseinandersetzen müssen. Im Austausch mit Ausbildern und Ausbilderinnen hört man immer wieder, dass junge Einwanderinnen und Einwanderer zwar fachlich hervorragende Arbeit leisten, der Knackpunkt aber oft im gegenseitigen sprachlichen Austausch liegt.

Sprachliche Bildung

Typische Sprachprobleme bei Auszubildenden

Insgesamt gibt es vier typische Sprachprobleme, die regelmäßig bei Auszubildenden auftreten. Sie hindern die jungen Arbeitskräfte daran, ihr volles Potenzial im Unternehmen zu entfalten und dadurch zu einer stark geschätzten Arbeitskraft zu werden.

Aussprache

Eine undeutliche bzw. fehlerhafte Aussprache sorgt dafür, dass man regelmäßig falsch oder überhaupt nicht verstanden wird. Dies kann sowohl im Austausch mit den Kunden und Kundinnen als auch in der Zusammenarbeit mit dem gesamten Team ein großer Stolperstein sein. Häufiges Nachfragen und regelmäßige Erklärungsversuche sorgen für Frust bei allen Beteiligten.

Bereits hier fängt übrigens die eigentliche Arbeit mit Sprachproblemen an: In einem funktionierenden Betrieb sollte jeder - egal ob Vorgesetzte, Ausbilder:innen oder Mitarbeitendende - mögliche Aussprachefehler der Azubis freundlich verbessern und nicht absichtlich überhören. Letzteres passiert in der Regel leider recht schnell und behindert die sprachliche Bildung stark.

Schreiben

Vielleicht denken Sie sich jetzt Folgendes: “Schreiben? Als Handwerker:in? Handwerker:innen sollen nicht schreiben, sondern anpacken! Diesen Punkt kann man doch absolut vernachlässigen!”

Ganz so einfach ist es leider doch nicht. Natürlich werden die meisten Handwerker:innen in der Regel nicht fürs Schreiben bezahlt, sondern für andere Tätigkeiten. Dennoch müssen immer mal wieder schriftliche Aufgaben erledigt werden. Zum Beispiel das Schreiben von E-Mails, das Erstellen von Schaltplänen oder auch das Bearbeiten von Lieferscheinen.

Wer beim Schreiben also starke Herausforderungen hat, wird früher oder später im Beruf an seine Grenzen stoßen. Außerdem haben Personen mit Schreibschwierigkeiten oft auch ausgeprägte Leseprobleme.

Lesen

„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!”

Wir alle kennen diese humoristische Weisheit. Jeder von uns hat sie schon mal gehört oder selbst ausgesprochen. Warum? Weil sie der Wahrheit entspricht.

Fakt ist: Auszubildende mit Leseschwierigkeiten werden in ihrer Arbeit immer stark eingeschränkt sein. Sie können weder Mails, noch Anleitungen, noch To-dos, noch Beschriftungen verstehen und sind dadurch selbst bei kleinsten Aufgaben immer auf die Hilfe anderer angewiesen. Für den Betrieb werden sie dadurch nicht zu einer Unterstützung, sondern eher zu einer Last, die man mittragen muss. Eine äußerst unangenehme Situation, sowohl für den/die jeweilige:n Auszubildende:n als auch für den Betrieb.

Verständnis der Sprache

Ein weiteres häufig auftretendes Sprachproblem ist das allgemeine Verständnis der deutschen Sprache. Wer Schwierigkeiten bei der Interpretation einer Aufgabe hat oder den Anweisungen eines Kunden oder einer Kundin nur schwer folgen kann, wird diese zwangsläufig nicht zur vollsten Zufriedenheit erfüllen können.

Stattdessen schleichen sich regelmäßig kleinere sowie größere Fehler ein, die beim Kunden oder bei der Kundin für Unverständnis, beim Betrieb für Enttäuschung und beim Auszubildenden für Unsicherheit sorgen.

Verständnis von Fachbegriffen

Neben dem allgemeinen Verständnis der deutschen Sprache führen auch immer wieder Unsicherheiten bei Fachbegriffen zu Hürden und Komplikationen im beruflichen Alltag. Oft werden dadurch Aufgaben fehlerhaft ausgeführt, Prüfungen falsch verstanden und unerwünschte Ergebnisse erzielt. Sowohl bei der Arbeit im eigenen Betrieb, als auch bei uns während der Überbetrieblichen Ausbildung. Die Folge: Wenn das Sprachverständnis für das Erlernen eines neuen Berufs nicht gezielt gefördert wird, wird es immer wieder für unerfreuliche Ergebnisse sorgen.

Sprachliche Integration

Sprachprobleme - wo treten sie auf?

In der Regel treten Sprachprobleme im Handwerk überwiegend bei jungen Migranten und Migrantinnen auf. Doch auch hier gibt es starke Unterschiede: Lehrlinge, die bereits im frühen Kindesalter nach Deutschland gezogen sind, haben normalerweise ausgeprägtere sprachliche Fähigkeiten als Auszubildende, die erst wenige Jahre oder Monate hier leben.

Verallgemeinern möchten wir an dieser Stelle aber auf keinen Fall. Natürlich gibt es auch Einwanderinnen und Einwanderer, die nach zwei Jahren hervorragendes Deutsch sprechen, während andere seit 20 Jahren hier leben und immer noch starke Schwierigkeiten mit unserer Sprache haben.

Einen großen Einfluss auf die sprachliche Entwicklung hat das soziale Umfeld und die täglichen Gewohnheiten: Wird zuhause deutsch gesprochen? Welche Sprachen nutzt der Freunden- und Bekanntenkreis? In welcher Sprache liest man Bücher und Zeitschriften? Sieht man zuhause deutsches Fernsehen bzw. deutsche Filme? All diese Fragen bzw. die Antworten darauf geben Aufschluss über die sprachliche Entwicklung.

Verbesserung der Deutschkenntnisse

Lösungsansätze: So kann sprachliche Integration im Handwerksbetrieb funktionieren

Nachdem Sie nun die größten sprachlichen Hürden kennen, werden wir Ihnen in den folgenden Abschnitten mögliche Lösungsansätze gegen die genannten Herausforderungen vorstellen.

Sprachkurse

Sprachkurse gelten auch heute noch als absolute Klassiker, um schnell und effektiv Sprachprobleme zu beseitigen. Vorausgesetzt, der jeweilige Auszubildende bringt ausreichend Lernwille mit.

Sie könnten sich zum Beispiel für interne Sprachkurse innerhalb Ihres Betriebs entscheiden oder für externe Sprachkurse in einer berufsbegleitenden Sprachschule.

Das Gute daran: Sprachkurse finden immer häufiger online statt. Ihre Auszubildenden müssen also nicht zwangsläufig den Arbeitsplatz verlassen, um ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Das spart sowohl Ihnen als auch Ihren Lehrlingen Zeit und Geld.

Wichtig dabei

Die Gestaltung der Sprachkurse sollte nicht nur auf das allgemeine Sprachverständnis ausgelegt werden, sondern auch auf das Verständnis von Fachbegriffen, Prüfungen und Aufgaben. Nur so kann sichergestellt werden, dass der/die betroffene Auszubildende sowohl für anstehende Prüfungen als auch für die Zukunft als “vollwertige:r” Handwerker:in ausreichend gewappnet ist.

Eine weitere Alternative wären sogenannte Sprach-Apps. Sie wurden speziell entwickelt, um innerhalb kürzester Zeit eine neue Sprache zu lernen und die sprachliche Bildung voranzutreiben. Die Vorteile: Sprach-Apps sind deutlich günstiger als eine Sprachschule und können sofort gestartet werden. Die Nachteile: Der Lernerfolg ist langsamer und nicht individuell an die Bedürfnisse eines Handwerksbetriebs anpassbar. Außerdem fehlen ausführliche Lernstandkontrollen.

An dieser Stelle ein paar App-Empfehlungen, um die eigenen Deutschkenntnisse auszubauen:

Sprachkurse für Unternehmen

Unterstützung durch den Betrieb

Sprachschulen und logopädische Hilfe sind teuer. Zu teuer für die meisten Lehrlinge. Ihre Aufgabe als Handwerksunternehmen ist es daher, die passende Unterstützung zu finden und auch die Kosten dafür zu übernehmen.

Keine Frage, zu Beginn fühlt sich das natürlich nach einem starken finanziellen Einschnitt für jeden Betrieb an. Mit der Zeit lassen sich die Kosten durch bessere Arbeitsergebnisse und schnellere Weiterentwicklung der Auszubildenden aber wieder ausgleichen. Versuchen Sie daher, diese Ausgaben nicht als Belastung zu sehen, sondern als Investition in die Zukunft des Unternehmens.

Ebenfalls wichtig: Deutsch ist eine extrem schwere Sprache (auch, wenn wir als Muttersprachler oft anders darüber denken). Von der UNESCO wurde die deutsche Sprache sogar unter die TOP 10 der knackigsten Sprachen der Welt gewählt!

Begegnen Sie Auszubildenden und ihren Sprachproblemen daher mit etwas Geduld und Beharrlichkeit. Erwarten Sie bitte keine Wunder von Menschen, die erst seit Kurzem im Land sind. Viel wichtiger ist es, ausreichend Lernwillen zu erkennen und diesen großzügig zu unterstützen.

Setzen Sie allerdings eine:n Auszubildende:n mit Sprachproblemen unnötig unter Druck, wird die Lernbereitschaft immer stärker sinken und die sprachliche Bildung unnötig verlangsamt. Im schlimmsten Fall verlieren Sie sogar eine:n fachlich hervorragende:n Mitarbeiter:in, der nur etwas mehr Zeit benötigt hätte.

Unterstützung durch deutschsprachige Kollegen und Kolleginnen

Je öfter und intensiver man eine Sprache im Alltag nutzt, desto schneller ergeben sich Lernerfolge. Unserer Meinung nach ist es daher von essenzieller Bedeutung, auch die deutschen Kollegen und Kolleginnen bei der sprachlichen Integration einzubinden. Sie können zum Beispiel gezielt das Gespräch mit dem/der jeweiligen Auszubildenden suchen, falsch ausgesprochene Wörter und Sätze verbessern, grammatikalische Hilfeleistung leisten und generelle Unterstützung bei Fachbegriffen, Aufgabenstellungen oder auch der Prüfungsvorbereitung zusichern.

Dies fördert nicht nur die sprachliche Bildung, sondern auch den Teamgeist und das gegenseitige Verständnis füreinander. Sozusagen eine Win-Win-Win-Situation für alle drei Parteien: die Auszubildenden, die Mitarbeitenden und das Unternehmen selbst.

Unterstützung durch Vorgesetzte und Ausbilder:innen

Neben der Unterstützung der Mitarbeitenden spielt bei sprachlicher Bildung vor allem der Beistand der Ausbilder:innen eine bedeutende Rolle.

Sie tragen am Ende die Verantwortung dafür, ob ein Lehrling a) sprachliche Fortschritte im Betrieb erzielt und b) trotz seiner anfänglichen Sprach- und Verständnisprobleme akzeptiert und angenommen wird. Dies gelingt, indem Vorgesetzte als vertrauenswürdige Anlaufstellen bei sprachlichen, aber vor allem auch zwischenmenschlichen Herausforderungen wahrgenommen werden. Nur so lassen sich Punkt a) und b) am Ende sinnvoll miteinander verknüpfen und tatsächliche Fortschritte erzielen.

Nachteile von Sprachproblemen

Die Nachteile von Sprachproblemen bei Lehrlingen liegen auf der Hand. Sie betreffen allerdings nicht nur den/die Auszubildende:n selbst, sondern auch das jeweilige Unternehmen. Es sollte daher im Interesse eines jeden Handwerksbetriebs liegen, die sprachliche Integration der jungen Mitarbeiter:innen gezielt zu fördern. Passend dazu haben wir eine kurze Gegenüberstellung der einzelnen Nachteile für Sie erstellt:

Nachteile für Auszubildende:

  • Aufgabenstellung Fachbegriffe & Prüfungen werden nicht verstanden
  • Evtl. (unbewusste) Ausgrenzung durch andere Mitarbeiter:innen
  • Regelmäßige Zurechtweisungen durch Vorgesetzte
  • Erfolgserlebnisse fehlen & Selbstbewusstsein leidet
  • Die Freude an der Arbeit geht verloren

Nachteile für den Betrieb:

  • Arbeit wird fehlerhaft durchgeführt und Qualität leidet
  • Kunden und Kundinnen könnten durch fehlerhafte Arbeit unzufrieden werden
  • Die für eine Aufgabe benötigte Arbeitszeit verlängert sich deutlich
  • Kommunikation mit Kundinnen und Kunden wird erschwert
  • Kommunikation im Team leidet ebenfalls

Vorteile sprachlicher Bildung

Doch was passiert, wenn die sprachliche Integration innerhalb eines Unternehmens durch die bereits erwähnten Möglichkeiten systematisch vorangetrieben wird? Es entstehen zahlreiche Vorteile, die für alle Beteiligten einen extrem großen Mehrwert bieten. Die wichtigsten finden Sie in der folgenden Gegenüberstellung.

Vorteile für Auszubildende:

  • Besseres Verständnis von Fachbegriffen, Prüfungen und Aufgaben (auch während der ÜBA)
  • Mehr Lob von Vorgesetzten für die erledigte Arbeit
  • Gefühl von Wertschätzung und Dankbarkeit
  • Gesteigertes Selbstbewusstsein
  • Mehr Freude und Erfüllung für und während der Arbeit

Vorteile für den Betrieb:

  • Weniger Fehler und dadurch höhere Arbeitsqualität
  • Gesteigerte Kunden- und Kundinnenzufriedenheit
  • Stärkere Bindung der Auszubildenden an den Betrieb
  • Höhere Leistungsbereitschaft
  • Versierte Kommunikation im Team und mit Kundschaft
  • Stärkere Akzeptanz durch Mitarbeitende
  • Benötigte Arbeitszeit verringert sich
  • Image-Wachstum bei (möglicher) Kundschaft durch die Förderung sprachlicher Integration

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