Betriebsführung

Selbstständig im Handwerk: Wichtige Schritte für den Start

Sie möchten sich als Handwerksmeister:in selbstständig machen und einen eigenen Handwerksbetrieb eröffnen? Erst mal herzlichen Glückwunsch zu dieser mutigen und vor allem zukunftsorientierten Entscheidung! Eine Entscheidung, die zu Beginn mit jeder Menge Fragen und auch einer gehörigen Portion Unsicherheit verbunden ist. Glauben Sie uns eines: Dieser Umstand ist ganz normal und Teil des Weges. Egal ob Sie sich im Handwerk selbstständig machen oder in einer anderen Branche. Am Ende des Tages wird es genau diese Unsicherheit sein, dieses Schippern auf wilder See, das Sie immer weiter machen und zu absoluten Höchstleistungen anspornen lässt.

Um Ihnen zu Beginn Ihrer Selbstständigkeit im Handwerk dennoch etwas unter die Arme zu greifen und eine kleine Stütze zu bieten, beantworten wir nun einige wichtige Fragen und sprechen essenzielle Schritte an, die Sie zum Start unbedingt beachten sollten. Viel Spaß beim Lesen und natürlich jede Menge Erfolg bei der Gründung Ihres Betriebes!

Selbstständig im Handwerk

Schritt 1: Meisterausbildung abschließen

Der erste Schritt wird Ihnen wahrscheinlich schon bekannt sein, dennoch möchten wir ihn noch mal in aller Kürze anschneiden. Um eine Selbstständigkeit im Handwerk anstreben zu dürfen, benötigen Sie für alle zulassungspflichtigen Handwerksberufe einen erfolgreich abgeschlossenen Abschluss als Meister:in.

Dem gegenüber stehen zulassungsfreie Handwerksberufe, für die keine Meister:innenpflicht besteht. In diesem Fall können Sie sich also auch ohne Meister:innentitel selbstständig machen. Eine ausführliche Liste aller zulassungsfreien Handwerksberufe finden Sie unter diesem Link.

Schritt 2: Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer

Weiterhin besteht in vielen Teilen Deutschlands die Pflicht, sich mit Start der Selbstständigkeit bei der jeweiligen Handwerkskammer Ihrer Region anzumelden und ihr als zahlendes Mitglied beizutreten. Inwieweit diese Pflicht auch für Ihren Standort zutrifft, erfahren Sie über einen kurzen Anruf bei der zuständigen Handwerkskammer. Dort werden Sie außerdem über sämtliche Kosten informiert.

Die passende Ansprechperson für die Region Stuttgart finden Sie unter diesem Link.

Selbständig machen als Handwerker

Schritt 3: Mögliche Förderungen überprüfen

Für Gründer:innen im Handwerk gibt es zahlreiche Förderprogramme, die sich sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene erstrecken. Meist handelt es sich dabei um Kredite, die in unterschiedlichen Maximalhöhen ausfallen und mit sehr guten Konditionen versehen sind. Außerdem habe manche Bundesländer zusätzliche “Prämien” im Angebot, wie zum Beispiel das Gründerstipendium in NRW oder auch die Meistergründungsprämie in Berlin.

Speziell für Baden-Württemberg (hier sind wir als Bildungsakademie Stuttgart heimisch), können Sie zum Beispiel die Startfinanzierung 80 der L-Bank beantragen (die Zahl 80 steht für eine 80-prozentige Bürgschaft). Die Höhe der förderbaren Geldmittel beträgt bei dieser Finanzierung maximal 200.000 €, die für Investitionen, Betriebsgebäude oder auch Erstausstattung genutzt werden können. Mehr zur Startfinanzierung 80 können Sie hier nachlesen. Eine große Auswahl an Förderungen haben wir hier zusammengestellt.

Um am Ende des Tages eine Förderung zu erhalten, muss in aller Regel ein logischer, realistischer und nachvollziehbarer Business-Plan erstellt und der jeweiligen Bank vorgelegt werden.

Schritt 4: Zielgruppe, Positionierung & Nische definieren

Kommen wir nun zu einem wichtigen Punkt, der stark über Erfolg und Misserfolg Ihrer Selbstständigkeit im Handwerk entscheiden wird. Die richtige Wahl der Zielgruppe und Positionierung ist essentiell, um am Ende des Tages genau die Kunden und Kundinnen zu erreichen, die Sie mit ihrer Dienstleistung auch erreichen möchten.

Generell gilt

Je spitzer Ihre Zielgruppe und die gewählte Nische, umso enger der mögliche Kreis an Kund:innen und umso höher Ihre Verdienstmöglichkeiten.

Ein Beispiel dazu: Sie sind Kunde oder Kundin und möchten sich einen ganz speziellen, sehr hochwertigen Mahagoni-Tisch bei einem/einer Schreiner:in anfertigen lassen. Während Ihrer Recherche im Internet stoßen Sie auf drei Anbieter, die sich unterschiedlich positioniert haben:

  • Schreinerei Nr. 1: Keine wirkliche Spezialisierung. Macht alles: Tische, Kommoden, Schränke, etc.
  • Schreinerei Nr. 2: Stellt hauptsächlich Tische her.
  • Schreinerei Nr. 3: Hat sich auf die Produktion hochwertiger Mahagoni-Tische spezialisiert.

Fragen Sie sich nun selbst: Wo würden Sie am Ende des Tages den Tisch in Auftrag geben? Wahrscheinlich wird die Antwort “Schreinerei Nr. 3” lauten, da die gewählte Positionierung und Nische zu 100 % mit Ihrem Wunsch übereinstimmt.

Außerdem werden Sie vermutlich dazu bereit sein, mehr Geld auszugeben. Warum? Weil die Spezialisierung das Gefühl vermittelt, dass hier absolute Profis am Werk sind, die seit Jahren nichts anderes machen als geniale Mahagoni-Tische für ihre Kunden und Kundinnen anzufertigen und deshalb absolute Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet sind.

Genau dies ist der Grund, warum Betriebe (egal ob im Handwerk oder einer anderen Branche), die sich auf eine spitze Nische festgelegt haben, immer höhere Preise aufrufen können als die Konkurrenz, die eine breitere Masse bedient.

Weitere Vorteile einer spitzen Zielgruppe & Nische

Vielleicht denken Sie sich nun: “Aber der Kreis an Kund:innen ist doch viel kleiner, je spezieller die Nische! Da geht mir doch trotzdem jede Menge Geld durch die Lappen.” Glauben Sie uns eines: Diese Annahme lässt sich nicht zwingend bestätigen. Ganz im Gegenteil:

  • Je kleiner die Nische, umso geringer die Konkurrenz.
  • Je geringer die Konkurrenz, umso höher die Chance, Aufträge aus ganz Deutschland und nicht nur aus Ihrer Region zu erhalten.
  • Je geringer die Konkurrenz, umso höher können Sie außerdem Ihre Preise ansetzen und umso weniger Überzeugungsarbeit ist beim Verkauf nötig.
  • Je höher die Preise, umso weniger Kundinnen und Kunden müssen an Land gezogen werden, um ein ordentliches Einkommen zu erzielen

Am Ende des Tages sparen Sie sich mit der Wahl der richtigen Nische und Positionierung also jede Menge Zeit für die Akquise, erzielen höhere Preise und haben gleichzeitig weniger Konkurrenzdruck.

Selbstständig machen Handwerk

Schritt 5: Markt & Konkurrenz analysieren

Eine spezielle und kleine Nische heißt allerdings noch lange nicht, dass Sie damit automatisch erfolgreich werden und viel Geld verdienen können. Mindestens genauso wichtig ist zum Beispiel die genaue Analyse des Marktes, in den sie hineindrängen möchten. Bleiben wir dazu einfach bei unserem Beispiel der Mahagoni-Tischlerei. Ja, vielleicht reichen ein paar wenige Kundinnen und Kunden pro Monat aus, um damit erfolgreich zu werden. Dennoch sollten Sie sich vor dem Start folgende Fragen bzgl. der Marktanalyse stellen:

  • Wie groß wäre die mögliche Zielgruppe?
  • Besteht überhaupt Bedarf an Mahagoni-Tischen?
  • Wie groß ist die Konkurrenz? Gibt es Firmen, die genau den gleichen Service anbieten?
  • Falls ja, was machen diese Unternehmen richtig? Was könnte man dagegen noch verbessern?
  • Wie läuft der Verkauf von Mahagoni-Tischen in den verschiedensten Online-Shops?
An der Stelle noch ein wichtiger Tipp

Überhaupt keine Konkurrenz ist genauso schlecht wie zu viel Konkurrenz. Ein gewisses Maß an Nebenbuhlern zeigt sogar, dass in Ihrem Markt Geld und Kaufkraft vorhanden ist. Gar keine Konkurrenz sollte dagegen argwöhnisch betrachtet werden. Meist ist es ein Zeichen für eine zu kleine Zielgruppe bzw. Nische.

Schritt 6: Den richtigen Standort wählen

Die Nische wurde gewählt, die Positionierung definiert und der Markt als vielversprechend analysiert. Perfekt! Als Nächstes sollten Sie sich um einen möglichen Standort Gedanken machen. Auch hierzu gibt es drei wichtige Fragen:

  • Möchten Sie sich auf Ihre Region spezialisieren (z. B. Stadtgebiet Stuttgart)?
  • Möchten Sie das jeweilige Bundesland abdecken?
  • Oder möchten Sie Ihren Service sogar in ganz Deutschland anbieten?

Je nach gewählter Nische und Zielgruppe können alle drei Punkte Sinn ergeben. Letzterer vor allem dann, wenn Sie sich mit Ihrem Angebot wirklich sehr spitz positionieren und dennoch viele Menschen erreichen möchten. In diesem Fall sollten Sie allerdings mehrere Stunden Anfahrtsweg für mögliche Auftragsarbeiten im Hinterkopf behalten.

Der erste Punkt ist dagegen sinnvoll, wenn Sie sich nicht auf eine zu spitze Nische einlassen und lieber mehrere Leistungen abdecken möchten. In diesem Fall können Sie mögliche Kundinnen und Kunden leichter mit der Festlegung auf eine bestimmte Region ködern und ganz gezielt das Verbundenheitsgefühl zwischen Ihrem Betrieb, der jeweiligen Region und den Menschen ansprechen.

Als Handwerker selbstständig machen

Schritt 7: Business-Plan schreiben

Gehen wir nun ans Eingemachte. Oft bekommen wir die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist einen Business-Plan zu erstellen. Unsere Antwort ist klar: Ja, die Erstellung eines Business-Plans ist definitiv sinnvoll! Zumindest bei einer größeren Unternehmung wie dem Aufbau eines Handwerksbetriebes. Er hilft nicht nur bei der Beantragung möglicher Förderungen, sondern dient auch als Orientierungshilfe, die Sie sich immer wieder vor Augen führen können. Besonders dann, wenn Sie auf Ihrem Weg das eigentliche Ziel aus dem Blick verlieren - was in der Selbstständigkeit schnell passieren kann.

Teil des Businessplans sollten unter anderem folgende Punkte sein:

  • Positionierung & Zielgruppe
  • Das eigene Angebot
  • Standort des Betriebes
  • Zielplanung inkl. Jahrespläne
  • Finanzplan inkl. Preisgestaltung
  • Benötigter Kapitalbedarf
  • Mögliche Risiken
  • Rechtliche Punkte (Lärmschutz, Arbeitssicherheit, etc.)
  • Marketing
  • Versicherung
  • Rechtsform
  • etc.

Weitere nützliche Infos über die Erstellung eines Business-Plans finden Sie auf dieser Seite: Business Plan für das Handwerk - Die wichtigsten Punkte

Unser Tipp

Für die Erstellung eines guten Business-Plans kann es sich lohnen, professionelle Hilfe in Form einer darauf spezialisierten Beratung ins Boot zu holen.

Schritt 8: Startkapital berechnen

Ohne Moos nix los. Auch nicht, wenn Sie sich eine Selbstständigkeit im Handwerk aufbauen möchten. Die Berechnung des Startkapitals ist daher nicht nur für den Business-Plan von großer Bedeutung, sondern auch für Ihren finanziellen Einsatz zu Beginn der Selbstständigkeit. Dieser ist im Handwerk meist besonders hoch, da nicht nur die Miete der Werkstatt anfällt, sondern viele weitere Ausgaben für Ausstattung, Werkzeuge, Firmenwagen, Werbung, Versicherungen, Steuerberater und mehr. Berechnen Sie außerdem auch Vorfinanzierungen bzw. Vorleistungen ein, die Sie als Handwerker:in so gut wie immer eingehen. Schließlich werden Sie in den meisten Fällen erst nach Erbringung Ihrer Leistung bezahlt.

Aufgrund dieser hohen Anfangsinvestitionen für Neugründungen gibt es nicht umsonst zahlreiche Fördermöglichkeiten bzw. besonders attraktive Startkredite, die Sie bei der Finanzierung Ihrer Selbstständigkeit unterstützen werden.

Schritt 9: Die richtigen Versicherungen wählen

Auch wenn Versicherungen meist ein leidiges Thema sind, kommt man für die Selbstständigkeit im Handwerk leider nicht daran vorbei. Sowohl in Form von privaten Versicherungen für sich selbst (z. B. Berufsunfähigkeitsversicherung oder Unfallversicherung) als auch für das eigentliche Unternehmen. Diese speziellen gewerblichen Versicherungen könnten zum Beispiel eine Betriebshaftpflichtversicherung oder eine Rechtsschutzversicherung sein.

An dieser Stelle bitten wir Sie allerdings, die professionelle Beratung einer darauf spezialisierten Versicherungsmaklerin bzw. eines Versicherungsmaklers zu suchen.

Selbstständig als Handwerker

Schritt 10: Firmennamen überlegen

Unsere Meinung dazu: Die Findung des Firmennamens kann zu Beginn vernachlässigt werden und sollte erst Teil Ihrer To-Do-Liste werden, sobald Sie die vorigen Schritte durchgeführt haben und sich immer noch sicher sind, als selbstständige:r Handwerker:in durchzustarten.

Oft wird hierfür extrem viel Zeit und Energie verschwendet, die gerade zum Start an anderer Stelle dringender benötigt wird. Außerdem ergeben sich die besten Firmennamen meist dann, wenn man nicht groß darüber nachdenkt und plötzlich von einem Geistesblitz getroffen wird.

Unser Tipp

Machen Sie Ihren Firmennamen nicht zu kompliziert. Oft reicht der eigene Name mit einem passenden Slogan. Mögliche Kundinnen und Kunden sollten beim Lesen Ihres Firmennamens sofort erkennen, welche Leistungen geboten werden. Zwei Beispiele:

  • Max Mustermann: Spezialist für hochwertige Mahagoni-Tische
  • Alex Wasserhahn: Ihr Experte für luxuriöse Badeeinrichtungen

Schritt 11: Firma gründen

Jetzt wird es ernst! Die Firmengründung steht vor der Tür! Der letzte Schritt, bevor Sie endgültig als selbstständige:r Handwerker:in durchstarten dürfen. Doch auch hier gilt: Wenn Sie bisher noch keine Erfahrung mit Firmengründungen im Handwerk haben, suchen Sie sich lieber Hilfe bei unseren betriebswirtschaftlichen Beraterinnen und Beratern. Diese können Sie nicht nur bezüglich der richtigen Rechtsform (GmbH, UG, GbR, etc.) unterstützen, sondern auch bei sämtlichen Steuerfragen sowie der jährlichen Steuererklärung.

Nichtsdestotrotz empfehlen wir Ihnen, sich selbst etwas in das Thema Steuerrecht einzuarbeiten. Dies hilft nicht nur in der Kommunikation mit Ihrer Steuerberaterin oder Ihrem Steuerberater, sondern auch im allgemeinen Verständnis eines wichtigen betriebswirtschaftlichen Themas. Ein wenig über Steuern Bescheid zu wissen hat noch niemandem geschadet - auch wenn es ein sehr trockenes Thema ist.

Bonus: Vertriebs- & Marketingseminare besuchen

Kommen wir zum Schluss des Beitrags noch zu zwei Themen, die von vielen Handwerker:innen oft vernachlässigt werden: Marketing & Vertrieb. Beide Themen greifen wie zwei Zahnräder ineinander und werden bei zielgerichtetem Einsatz im beruflichen Umfeld deutlich mehr Aufträge von Kundinnen und Kunden akquirieren.

Während Marketing darauf abzielt, mit Ihrem Handwerksbetrieb in die Sichtbarkeit zu kommen und bekannter zu werden, sind gute Vertriebskenntnisse unerlässlich, um mögliche Kundinnen und Kunden, die durch das eben erwähnte Marketing auf Sie aufmerksam werden, im Verkaufsgespräch von Ihrem Angebot und Ihren Leistungen zu überzeugen.

Obwohl beide Themen sehr bedeutend für den Erfolg jeder Selbstständigkeit sind, stellen sie Unternehmer:innen immer wieder vor große Herausforderungen. Speziell das Thema “Verkaufen” wird auch heute noch viel zu oft als lästiges Übel gesehen. Der Grund dafür ist eine oft falsche und hinderliche Gedanken-Blockade, die Verkäufer:innen als “schleimige Abzocker:innen” verallgemeinert. Doch sind wir mal ehrlich: Ohne Verkaufen keine Aufträge. Ohne Aufträge kein Umsatz. Ohne Umsatz kein Fortbestehen des Handwerksbetriebes. Es führt also kein Weg daran vorbei, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und das Verkaufen zu meistern - auch wenn es anfangs eine große Herausforderung darstellt.

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